• Unter der „LKGS-Fehlbildung“ (Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildung) werden alle von der Fehlbildung betroffenen Anteile im äußeren und inneren Mund-, Nasen- und Rachenraum verstanden.
  • Es müssen nicht immer alle Abschnitte im Mund-Nasen-Rachen-Raum gleich oder überhaupt betroffen sein. Von der Fehlbildung betroffen sein können zum Beispiel
    • nur die Lippe (Oberlippe),
    • die Lippe und der Kiefer (Oberkiefer),
    • die Lippe, der Kiefer, der harte und weiche Gaumen, die äußere und innere Nase oder
    • der harte und weiche Gaumen und die innere Nase.
  • Wissenschaftlich korrekt müsste man die Lippen-Gaumen-Fehlbildung eigentlich als „Lippen-, Kiefer-, Gaumen-, Segel-, Nasen-, Vomer-Fehlbildung“ bezeichnen.
  • Laut der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) wird die Lippen-Gaumen-Fehlbildung als Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalte bezeichnet.
  • Wir als Selbsthilfevereinigung benutzen die Abkürzungen LKGS-Fehlbildung oder Lippen-Gaumen-Fehlbildung.

 

Welche Beeinträchtigungen bringt die Fehlbildung mit sich?

  • Durch den offenen Gaumen kann ein Säugling keinen Unterdruck im Mundraum herstellen. Dies erschwert das Stillen, da das Kind die Brustwarze nicht oder nur schwer ansaugen kann.
  • Stillen kann möglich sein. Wir informieren Sie gerne über die Möglichkeiten.
  • Es gibt Hilfsmittel, die das Stillen unterstützen und die Ernährung mit Muttermilch erleichtern. Zu letzterem gehört natürlich auch das Füttern mit der Flasche.
  • Durch die gestörten Druckverhältnisse im Mund-Nasen-Rachenraum sind häufig die Belüftung des Mittelohres und damit das Hören beeinträchtigt.
  • Das Sprechen ist ebenfalls von den richtigen Druckverhältnissen im Mund-Nasen-Rachen-Raum abhängig. Dazu müssen der harte und der weiche Gaumen (Gaumensegel) verschlossen und funktionstüchtig sein.
  • Die Lippenfehlbildung hat Auswirkungen auf die Mimik. Nach dem Verschluss der Lippe verändert sich das.
  • Ein Gesicht mit einer offenen Fehlbildung ist erst einmal ein ungewohnter Anblick, der aber bald vertraut wird.
  • Säuglinge mit einer Lippen-Gaumen-Fehlbildung haben keine Schmerzen, sie kennen es ja nicht anders!

 

Pränatale Untersuchung – Auftretende Häufigkeit

  • Mithilfe der modernen Diagnosetechnik kann die LKGS-Fehlbildung manchmal schon vor der Geburt beim Embryo entdeckt werden. Manche Eltern finden diese Möglichkeit hilfreich, weil sie ihnen ermöglicht, sich auf die Situation vorzubereiten. Andere Eltern verunsichert es.
  • Man kann aber deshalb keine Empfehlung für pränatale Diagnostik geben. Diese Entscheidung bleibt den werdenden Eltern überlassen.
  • Derzeit wird circa jedes 500. neugeborene Kind mit einer LKGS-Fehlbildung geboren. Man kann davon ausgehen kann, dass circa 120 000 Menschen in Deutschland von dieser Fehlbildung betroffen sind.

 

Behandlung

  • Das Kind sollte so früh wie möglich für eine genaue Diagnose einem spezialisierten Ärzt*innenteam vorgestellt werden, wie es in Zentren für Spaltchirurgie üblich ist.
  • In einem solchen besteht das interdisziplinäres Team aus Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg*innen, HNO-Ärzt*innen, Logopäd*innen, Kieferorthopäd*innen und Ernährungs- und Stillberater*innen.
  • Zusammen mit den Eltern legt das interdisziplinäre Team den Therapie- und Behandlungsplan fest.
    • Dieser besteht im Wesentlichen aus ein bis vier Operationen, bei denen die Lippe, der Kiefer und der Gaumen geschlossen werden sollen.
    • Weiterhin werden logopädische und kieferorthopädische Therapien besprochen.
  • Das Ziel der frühzeitigen Behandlung ist, annähernd „normale“ physiologische Verhältnisse im Mund- und Rachenraum zu schaffen.
     

Die Rolle der Selbsthilfevereinigung

  • Die Selbsthilfevereinigung hat sich in den letzten 42 Jahren beharrlich für die interdisziplinäre Behandlung der LKGS-Fehlbildung engagiert.
  • Dieses Engagement war erfolgreich: Heute sind viele Spalt-Behandlungszentren zur Einsicht gelangt, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig ist.
  • Viele Fachärzt*innen wissen: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist die beste Voraussetzung für eine optimale Diagnose und Therapie.
  • Die Selbsthilfevereinigung hat die Anerkennung des GdB mit fachlich beratenden Ärzten durchgesetzt. Dieser Fortschritt zählt zu einem der wichtigsten Verdienste der Selbsthilfevereinigung.

 

Der Grad der Behinderung (GdB)

  • Der GdB gilt in Deutschland als das Maß „für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung“ aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung (VersMedV 2015: 19). Kurz gesagt: Er dient dazu, die Schwere einer gesundheitlichen Einschränkung zu beziffern und kann dabei zwischen 20 und 100 variieren. Die Versorgungsämter erkennen bereits bei Säuglingen einen GdB an.
  • Welchen GdB man bekommt, wird durch ärztliche Gutachter*innen festgestellt. Der GdB richtet sich immer nach den Funktionseinschränkungen, die man hat. Falls mehrere Funktionseinschränkungen vorliegen, wird begutachtet, wie diese im Verhältnis zueinander stehen. Beantragt werden kann der GdB beim zuständigen Versorgungsamt. Die Adresse kann beim Stadtbüro erfragt werden.
  • Grundlage für die Begutachtung des GdB sind die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“. In den versorgungsmedizinischen Grundsätzen kann man nachsehen, welche Einstufungen für die Lippen-Gaumen-Fehlbildung vorgesehen sind. In der folgenden Tabelle haben wir dies zusammengefasst:

Isolierte voll ausgebildete Lippenspalte (ein- oder beidseitig) bis zum Abschluss der Behandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) je nach Trinkstörung, Beeinträchtigung der mimischen Muskulatur und Störung der Lautbildung

30-50

Lippen-Kieferspalte bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation)…

60-70

…bis zum Verschluss der Kieferspalte

50

Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) unter Mitberücksichtigung der regelhaft damit verbundenen Hörstörung (Tubenfehl-belüftung) und der Störung der Nasenatmung…

100

…bis zum Verschluss der Kieferspalte

50

Komplette Gaumen- und Segelspalte ohne Kieferspalte wegen der bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) bestehenden mit der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vergleichbaren Auswirkungen

100

Isolierte Segelspalte, submuköse Gaumenspalte bis zum Abschluss der Behandlung je nach Ausmaß der Artikulationsstörung

0-30

 --------

  • Ausgeprägte Hörstörungen werden gegebenenfalls zusätzlich berücksichtigt. Bei einer erneuten Begutachtung nach dem Abschluss der Behandlung richtet sich der GdB immer nach der verbliebenen Funktionsstörung.
  • Neben dem Grad der Behinderung wird Kindern mit Lippen-Gaumen-Fehlbildungen das Merkzeichen „H“ für hilflos für einen gewissen Zeitraum zuerkannt. Hier geht es darum, die Hilfeleistung der Eltern zu berücksichtigen. Bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und kompletten Segelspalten wird in der Regel bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) Hilflosigkeit zuerkannt. Die Kinder benötigen während dieser Zeit in hohem Maße Hilfeleistungen, die weit über diejenigen eines gesunden, gleichaltrigen Kindes hinausgehen: vor allem bei der Nahrungsaufnahme (gestörte Atmung, Gefahr des Verschluckens), bei der Reinigung der Mundhöhle und des Nasen-Rachenraums, beim Spracherwerb sowie bei der Überwachung beim Spielen.

Quelle: Versorgungsmedizinische Grundsätze (VersMedV), Zugriff auf: https://versorgungsmedizinische-grundsaetze.de/Mundhoehle%20Rachenraum%20obere%20Luftwege%20Versorgungsmedizinische%20Grunds%C3%A4tze.html

 

Beantragung eines Pflegegrades

Die Ernährung und Pflege eines Kindes mit LKGS kann mit einem erheblichen über das „normale Maß“ hinausgehenden Zeitaufwand verbunden sein. Bei Kindern mit LKGS können zum Beispiel häufigere Mahlzeiten und Abpumpen der Muttermilch, zusätzliche Körperpflege (zum Beispiel das Säubern der Gaumenplatte oder das häufige Wechseln von Kleidung aufgrund von erhöhtem Speichelfluss), Lagerungsmaßnahmen und Fahrten zu ärztlichen Untersuchungen mit Wartezeiten erforderlich sein.

Um Unterstützung zu erhalten, kann bei der Krankenkasse Pflegegeld beantragt werden. Voraussetzung für die Bewilligung ist ein zusätzlicher Hilfebedarf, der über das „normale Maß“ an altersbedingtem Pflegeaufwand hinausgeht und sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erstreckt.

Nach Einreichung des Antrags bei der Krankenkasse findet ein Hausbesuch durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) statt. Pandemiebedingt kann die Begutachtung zeitweise online oder per Telefon erfolgen. Eltern können zusätzlich ein Pflegetagebuch führen, in welchem Sie Pflegetätigkeiten dokumentieren und das Tagebuch dem MDK zukommen lassen. Der MDK spricht im Anschluss an die Begutachtung eine Empfehlung aus.

Wichtig zu wissen: Wird ein Pflegegrad bewilligt, gilt dieser ab dem Tag der Beantragung und kann nicht rückwirkend bewilligt werden.

Ab 2024 haben Sie die Möglichkeit folgende Pflegegeldbeträge zu beantragen:

beim Pflegegrad 2:                          332 €

beim Pflegegrad 3:                          572 €

beim Pflegegrad 4:                          764 €

beim Pflegegrad 5:                          946 €

Wenn Sie keine Bewilligung des Pflegegrades erhalten oder die Einstufung zu niedrig ist, können Sie Widerspruch einlegen. Im Widerspruch muss begründet werden, warum Ihnen ein höherer Pflegegrad zusteht. Der Widerspruch kann dazu führen, dass der Pflegegrad überhaupt festgelegt wird oder eine Höherstufung erfolgt. Es ist dabei wichtig, zeitnah zu reagieren und die Frist von einem Monat nach Zugang des Bescheids von der Pflegekasse einzuhalten. Schicken Sie mit dem Widerspruch möglichst alle medizinischen Dokumente wie Arztbriefe, Atteste und Entlassungsberichte bei Ärzt*innen und Kliniken, die zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung noch nicht vorlagen.

Weitere Informationen zu den EUTB-Beratungsstellen und hilfreiche Tipps der Verbraucherzentrale zum Widerspruch finden Sie hier:

https://www.teilhabeberatung.de/beratung/beratungsangebote-der-eutb

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/pflegeantrag-und-leistungen/pflegegrad-abgelehnt-so-wehren-sie-sich-mit-widerspruch-und-klage-11547

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.